Wir feiern 50 Jahre Frauenfußball in Deutschland

Dieses Jahr feiern wir 50 Jahre Mädchen- und Frauenfußball in Deutschland. Dass Mädchen und Frauen Fußball spielen, ist heute keine Besonderheit mehr. Der deutsche Fußball-Bund zählt derzeit etwa 1,1 Millionen weibliche Mitglieder und rund 10.000 aktive Frauen- und Mädchenteams.
Doch die Fußballerinnen in Deutschland mussten einen beschwerlichen und steinigen Weg gehen, bis sie akzeptiert und anerkannt wurden. Ein Weg geprägt von Hohn und Spott, von Vorurteilen, Behinderungen und Verboten.
Der Fußballsport kommt 1874 aus England über einen Turnlehrer nach Deutschland und findet schnell auch unter Mädchen und Frauen begeisterte Spielerinnen. Im konservativen Deutschland werden fußballspielende Frauen allerdings nicht geduldet, schließlich haben Ärzte behauptet, dass der Sport „dem Frauenkörper und Frauengeist schwere Schäden“ (Westmann 1930: 54) zufüge. 

Dennoch wird 1930 in Frankfurt der erste deutsche Damenfußballclub, der 1. DFC Frankfurt, gegründet. Die kickenden Damen sorgen auch in der Öffentlichkeit für viel Aufsehen und werden so zum Beispiel auch in der Zeitung thematisiert (Bild links. Quelle: Hoffmann & Nendza (2011). Bei ihrem ersten Spiel gegen eine Herrenmannschaft werden die Damen allerdings von aufgebrachten Zuschauern beschimpft und mit Steinen beworfen. Der Verein löst sich noch im selben Jahr wieder auf. Danach ist es lange Zeit still um den Frauenfußball, bis nach dem Zweiten Weltkrieg in den 50er-Jahren wieder zahlreiche Mädchen und Frauen den Spaß am Fußballspiel entdecken.

Danach ist es lange Zeit still um den Frauenfußball, bis nach dem Zweiten Weltkrieg in den 50er-Jahren wieder zahlreiche Mädchen und Frauen den Spaß am Fußballspiel entdecken. Angefacht durch das „Wunder von Bern“ möchten die fußballbegeisterten Mädchen und Frauen auch selber mal Steil-, Quer- und Kurzpässe ausprobieren. Woraufhin sich in den 1950er Jahren die ersten Frauenfußballclubs unabhängig von organsierten Verbandsstrukturen gründen. Eine besonders hohe Dichte neuer Teams findet sich im Ruhrgebiet, von wo aus Duelle mit den Kickerinnen aus dem benachbarten Holland organisiert werden. Für den DFB steht allerdings weiterhin fest: Fußballsport ist nach wie vor „unweiblich“ und „nichtfraugemäß“ (Hoffmann 2011: 38). Am 30. Juli 1955 schließlich verbietet der DFB bundesweit den Damenfußball in seinen Reihen. Es ist Vereinen des DFB weder gestattet Damenfußball Abteilungen zu gründen oder bestehende bei sich aufzunehmen, noch eigene Plätze für Damenfußballspiele zur Verfügung zu stellen. Die deutschen Fußballerinnen kicken außerhalb des DFB unverdrossen weiter, organisieren sich ab 1956 im Westdeutschen Damen-Fußball-Verband und gründen wenig später eine „Abteilung Süddeutschland“. Am 23.09.1956 findet in Essen vor 18.000 Zuschauern das erste Länderspiel der Damen-Fußballmannschaft gegen Holland statt. Die deutschen Frauen können das Spiel mit 2:1 für sich entscheiden. Auch aus einem weiteren Länderspiel 1957 gegen Westholland gehen die deutschen Spielerinnen als Siegerinnen hervor und das renommierte Fußballmagazin Kicker verkündet was wir heute alle wissen: „Das Münchner Spiel bewies, dass Damen-Fußball durchaus sportlich ist.“ (Kicker März 1957). Bis 1965 werden etwa 150 Länderspiele ausgetragen, zu welchem zwischen 3000 und 18000 Zuschauer*innen kommen.
Angetrieben durch die „neue Frauenbewegung“ und die generelle Liberalisierung und Modernisierung der Gesellschaft in den späten 60er Jahren, strömen immer mehr Mädchen und Frauen in die Fußballvereine. Ende 1969 spielen schätzungsweise 40.000 – 60.000 Frauen und Mädchen Fußball. 1970 gibt der DFB dem wachsenden Druck nach und hebt sein Frauenfußball-Verbot auf. Die Frauen spielen vorerst allerdings unter einem eigenen Regelwerk. Die Spielzeit ist reduziert auf 2x 30 Minuten, Stollenschuhe sind verboten, es wird mit einem kleineren und leichteren Jugendball gespielt und eine halbjährliche Winterpause ist vorgeschrieben. Doch auch nach der Aufhebung des Verbots haben es die Frauen noch lange Zeit schwer, ihre Fußball-Leidenschaft ausleben zu können und müssen einiges an Unverständnis, Häme und Spott über sich ergehen lassen:

Auch nach Aufhebung des Verbotes wurden fußballspielende Frauen noch lange belächelt.

Weitere Meilensteine in der Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland sind zum einen die erste Deutsche Meisterschaft 1975, die die TuS Wörrstadt für sich entscheiden kann. Für den Sieg erhält jede Spielerin ein Silberarmband. Zum anderen wird 1981 der DFB- und Länderpokalwettbewerb eingeführt. Für viel Aufsehen sorgt außerdem Bärbel Wohllebens Tor zum 3:0 im Meisterschaftsfinale, welches zum ersten von einer Frau geschossenen Tor des Monats gewählt wird.

https://www.sportschau.de/sendung/tdm/video-tor-des-monats-september–106.html

1982 formiert der DFB erstmals eine Damen Nationalmannschaft, welche im Herbst desselben Jahres ihr erstes Länderspiel gegen die Schweiz bestreitet und souverän mit 5:1 gewinnt. Der Durchbruch kommt 1989 mit dem überraschenden Gewinn der Europameisterschaft im eigenen Lande. Ein riesen Erfolg für die deutsche Mannschaft. Die offizielle Prämie des DFB für den Titel? Ein Kaffeeservice. Ein Jahr später erhalten die Männer für den Weltmeistertitel jeweils 65.000 D-Mark als Prämie. Dennoch markiert der Europameistertitel 1989 einen Umbruch in den veralteten Denkweisen des DFB, der von da an eine systematische Förderung des Mädchen- und Frauenfußballs etabliert. 1990 startet eine zweigleisige Bundesliga, mit jeweils zehn Teams in einer Nord- und einer Südgruppe, aus welchen 1997 die auch heute noch bestehende eingleisige Bundesliga mit zwölf Clubs hervorgeht. Und auch die Nationalelf spielt sich lange von Erfolg zu Erfolg. Insgesamt gewinnt die Deutsche Frauen Nationalmannschaft 4 Olympiamedaillen, 8 Europa- und 2 Weltmeistertitel. 

Genau wie die ersten Pionierinnen, die es wagten trotz Verbot und Argwohn die Schuhe zu schnüren und Fußball zu spielen, braucht es auch in anderen Bereichen des Fußballs weibliche Vorreiterinnen. 2007 wird Hannelore Ratzeburg als erste und bisher einzige Frau ins DFB- Präsidium gewählt. 10 Jahre später pfeift Bibiana Steinhaus als erste weibliche Schiedsrichterin ein Herren Bundesligaspiel. Im April 2019 übernimmt Inka Grings den Cheftrainerposten beim SV Straelen und ist damit die erste Frau, die eine Herrenmannschaft in der Regionalliga leitet. Im selben Jahr tat es ihr Imke Wübbenhorst beim Oberligisten BV Cloppenburg gleich und trainiert nun die Sportfreunde Lotte in der Regionalliga.
Auch wenn die Akzeptanz von Mädchen und Frauen, die Fußball spielen, in den letzten 50 Jahren einen enormen Wandel gemacht hat, ist der Sport noch weit davon entfernt, Männern und Frauen gleichberechtigt offen zu sein.

Quellen:

– Hoffmann, E. & Nendza, J. (2011). Verlacht, verboten und gefeiert: Zur Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland. Weilerswist: Verlag Ralf Liebe.
– Westmann, Stephan (1930). Frauensport und Frauenkörper – Sportärztliche Betrachtung eines Frauenkörpers. Leipzig: o.A.
– https://www.bpb.de/gesellschaft/gender/graue-spielzeit/65063/das-dfb-verbot
– https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/223584-Mitgliederstatistik.pdf
– https://www.sportschau.de/sendung/tdm/video-tor-des-monats-september106.html

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